Translate

Karamatura-Trek

Unseren Trek beginnen wir morgens im Waitakere-Nationalpark mit einem Regenbogen an der Bucht zum Tasmanischen Meer bei Huia


Was für ein schöner Trek - unter immergrünen Baumdächern: Silberfarne, Baumfarne, Palmfarne, Juka-Palmen, Agaven-Palmen, usw. Alles wirkt hier auf mich wie ein riesiger botanischer Garten. 


Für einen kurzen Moment habe ich auch die scheuen Tuis vorbei fliegen gesehen. 

Tui-Vogel

Nach 30 Minuten erreichen wir den Karamatura-Wasserfall auf halber Strecke. Der Trek geht hier zwar auf gesichertem Weg weiter, dafür nicht mehr am Bach entlang. Tom sagt uns, wenn wir es schaffen, flussaufwärts hochzuklettern, könnte es vielleicht noch mehrere solcher Wasserfälle geben. Davor hat uns der Park-Ranger vor einer halben Stunde scharf abgeraten. Die meisten Unfälle passieren, wenn man den Trek verlassen will. Die Felshänge sind senkrecht aufsteigend. Dazu kommen glitschige Wurzeln und Lianen. Wir wagen es...


...und schaffen es. Wir erreichen nach 20min konzentriertem Klettern diesen Wasserfall. Hier hätten wir wieder absteigen und zurückkehren können. Wenn man aber noch weiter hochklettert, kann man nicht mehr umkehren. Viel zu gefährlich. Wir entschließen uns aber, weiter hochzuklettern. In der Hoffnung, später auf den Twins Peak-Trek zu treffen, um auf sicherem Weg nach Huia zurück gehen zu können.


Nach weiteren 20min klettern, können wir nicht glauben, was wir sehen. Es scheint, als hätte sich ein kreativer Gärtner große Mühe mit der Landschaftspflege gegeben, doch die Natur war vor ihm da. Ob hier schon jemals überhaupt jemand gewesen ist?


Neuseelands Geheimnisse...



Noch ein kleines Stück weiter, sehen wir durch das Dschungel-Dickicht den wohl schönsten Wasserfall leuchten. 


Jetzt kann ich mich nicht mehr halten. Da muss ich reinspringen. Auch wenn das Wasser nur 7°C warm ist. Zuerst ein Emotionsbad nehmen und dann abspülen. Nackte Schönheit. 


Nach einer Jause klettern wir noch weiter. Nach 20min sehen wir diesen Wasserfall. Der letzte. 


Jetzt wird es Zeit, den richtigen Weg durch den Dschungel zu finden, um auf den Twins Peak-Trek zu stoßen. Knietief weiter durch das Wasser wäre eine Option, aber es hatte zu viel geregnet. Das wäre eher brusttief gewesen. Wir nehmen den schwierigen Weg durch den Dschungel. 

Ein Fehler. Oft brauchen wir 1 Minute für 3 Meter. Nie hätten wir gedacht, dass das so schwierig ist. Ständig fallen wir hin, rutschen aus, klettern über morsche Äste, kämpfen uns durch ein Netz von Lianen. Nach 2 Stunden verlieren wir unsere Orientierung. Und das Signal. Wir können im Dickicht nicht sehen, wo wir sind. Definitiv noch viel zu weit weg vom Twins Peak-Trek. Wir müssen umkehren. Umkehren bedeutet: da wo wir riskant aufgestiegen sind, abzusteigen. Was kaum möglich ist. Und wir müssen erst einmal den Weg zurück finden...


Wir finden ihn nicht. Kämpfen uns weiter. Wir haben Prellungen und dutzende Schnitte von Farnen und Blättern. Als ich mich an einem Fels festhalte, bricht ein Stück ab. Der 70 kg-Stein fällt mir auf den Rücken. Zum Glück war die Fallhöhe nicht zu hoch. Ich komme mit einem Hämatom davon. Später rutsche ich auf einer Liane aus, ein Stein trifft unter mir Daniel am Kopf. Er hat ein Cut. Tom kämpft sich vorne tapfer durch. Einige hundert Mal ist er sicher schon hingefallen. Der Humor hat uns schon längst verlassen. Die Situation ist ernst. Wir haben kein Essen, keine warme Kleidung, keine Schlafsäcke. Und es gibt Angenehmeres als die Nacht im Dschungel bei 8°C zu verbringen. Das einzig Positive: Es gibt in Neuseeland keine wilden bzw. gefährlichen Tiere für den Menschen. Nur ein paar Wildschweine. Giftig ist nur die fast ausgestorbene Rote Katipo-Spinne mit ihrem Nervengift. Doch auch sie kann den Menschen nicht umbringen. Trotzdem: Wir müssen schnell hier raus kommen!

Dann kommt die große Ernüchterung: Ein Wasserfall vor uns. 10 Meter tief. Die nassen Felswände links und rechts davon führen senkrecht hinunter. Tom will sich abseilen. Ohne Sicherung. Ich habe schon viele abenteuerliche Ausflüge mit kalkuliertem Risiko gemacht. Jetzt muss ich nicht kalkulieren. 1 Fehler, 1x keinen Halt finden, und ich bin tot. Wir diskutieren. Für mich gibt es nichts zu diskutieren. Lieber verbringe ich einige Tage und Nächte mittellos im Dschungel als neben einem Wasserfall ungesichert senkrecht abzusteigen. Ich gehe nach rechts weiter, ohne zu wissen, ob es einen besseren Weg hinunter gibt. Aber eine innere Stimme sagt mir, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Den anderen bleibt nichts übrig, als mir zu folgen. Trennen können wir uns nicht. 


Wir schaffen es tatsächlich mit Abrutschen, Hinfallen und an Wurzeln festhaltend, seitlich am Wasserfall abzusteigen. Wir kämpfen uns weiter. Ich zuerst. Doch der nächste Wermutstropfen kommt rasch: der nächste Wasserfall. Der hier ist sogar 15 Meter hoch. Tom überlegt, sich wieder abzuseilen. Einen anderen Weg scheint es ja kaum zu geben. Als er die Stelle neben mir prüft, sagt auch er: 'Nein'. Was tun? Für mich ist es klar: Weiter gehen, hinfallen, wieder aufstehen, und weiter. Ohne zu wissen, ob es woanders nicht noch schlimmer ist, ging ich wieder als Erster nach rechts weiter. Angesichts unserer Lage bin ich überraschend selbstsicher. Wahrscheinlich, weil ich meinem inneren Gefühl folge. Und vertraue. 


Mit einigen Prellungen und tiefen Schnitten auf Händen und Füßen schaffen wir es wieder, ohne schlimme Verletzungen an Stock und Stein abzurutschen. Und endlich sehen wir ihn jetzt, den Karamatura-Trek. Wir sind wieder sicher. 30min später erreichen wir noch vor Einbruch der Dunkelheit unser Auto. Geglaubt habe ich nicht mehr daran. Aber an mein Gefühl. Schon bemerkenswert, wie man auf Reisen seinen eigenen Charakter kennen lernt. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen