Von Labuan Bajo fahren wir mit dem Auto 4 Stunden nach Riuteng. Es ist die Hauptstadt der Provinz Manggarai. Eine sympathische Stadt, durch ihre Höhenlage angenehm temperiert, und es gibt noch relativ viel Auswahl an Restaurants.
Charlie Chaplin |
Wir mieten uns ein Moped und wollen 15km westlich nach Cancar fahren, wo man ein mysteriöses Spinnennetz-Reisfeld besichtigen kann. Aus ökonomischer Sicht macht diese Anordnung wenig Sinn. Grund dafür ist der Vererbungsmechanismus der lokalen Bevölkerung. Jedem Clan gehört 1 "Pizzastück". Und jedem Clan gehören rund 10 Familien an.
Lingko Spinnennetz-Reisfeld |
Die Größe eines Reisfelds hängt von den Fähigkeiten der Clanmitglieder ab, das Land zu kultivieren. Theoretisch gehört 1 Reisfeld auch nicht nur 1 Familie. Sie sind zwar dafür verantwortlich und dürfen es bebauen. Als kollektive Gesellschaft hat aber die ganze Gemeinschaft Anspruch auf das gesamte Land.
Den Ursprung dieser Idee findet man in den sogenannten "Trommelhäusern". Als sich einst die Nomaden auf Flores niedergelassen haben um Ackerbau zu betreiben, wurde in Anlehnung an die Raumaufteilung in ihren Häusern (Spinnennetzstruktur) beschlossen, dieselbe Anordnung in ihren Reisfeldern zu unternehmen. So konnten sie ihre animistische Konnektivität beibehalten.
Lingko Spinnennetz-Reisfeld |
Bei ihrer täglichen Feldarbeit arbeiten sich die Bauern immer von außen in die Mitte. So treffen sich die Dorfbewohner am Abend im Zentrum und verbringen ihren Feierabend zusammen. Manchmal finden im Feld-Kern auch Zeremonien statt.
Am nächsten Tag fahren wir 4 Autostunden weiter nach Bajawa. Neue Provinz, neue Sprache. Menschen aus Labuan Bajo können Menschen aus Bajawa nicht verstehen. Sie können nur in Bahasa (indonesisch) miteinander kommunizieren. Es wird geschätzt, dass es auf Flores über 20 verschiedene Sprachen geben soll.
Muslims und Christen leben friedlich zusammen |
Pausenlos starrt man uns an der Straße an. Wenn Sie Flores besuchen, sollten Sie sich schon vorher auf die Floskeln "Hello, Mister!", "Where you go?", "Where you from?" einstellen. Aber niemand ist aufdringlich und alle wollen nur freundlich sein.
Straße in Bajawa |
Essensmöglichkeiten gibt es in Bajawa leider kaum. Dafür viel Skurriles.
Am nächsten Tag nehmen wir wieder unsere Mopeds und wollen das traditionelle Dorf Bena besuchen. Die Kulisse unterwegs ist wunderschön.
Vulkan Mt. Inerie (2.245m) |
Fahrt durch Bambuswälder |
Wir haben uns Scharen von Touristen vorgestellt. Aber als wir in Bena ankommen, ist niemand da. Nur die Ngada-Kommune hütet sich vor der Sonne unter ihren Strohdächern. Wir erhalten tatsächlich einen relativ authentischen Einblick in das heutige Dorfleben einer Steinzeitkultur. In den vergangenen 1.200 Jahren hat sich das Leben hier bis zum Eintritt des Tourismus kaum verändert.
Bena-Dorf |
In der Mitte sieht man zwei Schreinen - ngadhu und bhaga - die das Geschlechterverhältnis in dieser nicht-patriarchalischen Gesellschaft symbolisieren. Ngadhu ist ein anthropomorpher, schirmenartiger Ahnenschrein (ähnelt einem Parasol-Pilz), der den männlichen Körper symbolisiert. Der Stamm ist mit Schnitzereien verziert und ist mit einer kriegerähnlichen Figur gekrönt. Es symbolisiert Heftigkeit und Fruchtbarkeit.
Ngadhu |
Das bhaga ist ebenfalls eine kleine Hütte und eine Miniaturdarstellung eines traditionellen Hauses. Es symbolisiert das Heiligtum des Hauses sowie den weiblichen Körper. Außerdem bietet es Platz für 1-2 Personen um Rituale für weibliche Vorfahren abzuhalten. Die Ngada sind übrigens matrilineare Menschen. Das bedeutet, dass die Mütter ihre Häuser an die Töchter vererben.
Für mich ist ngadhu und bhaga insofern spannend, weil hier der Status von Mann und Frau in einem Stamm offensichtlich wird. Es verweist auf die schwierige Balance zwischen machtvoller männlicher Beherrschung des Außenraums und weiblicher struktureller Dominanz im Inneren.
Nelken beim Trocknen |
1. Megalith-Altar |
Wenn man sich die Häuser etwas genauer ansieht, erkennt man an den Außenwänden hängende Schädel und Hörner von Wasserbüffeln, manchmal sogar Schweinezähne. Es symbolisiert auch den sozialen Status eines Hauses.
geopferte Wasserbüffelhörner |
Blickt man auf's Dach, erkennt man interessante Symboliken. Diese Figur unten stellt das Haus des Stammeshäuptlings dar. Es ist mehr als 900 Jahre alt (wenn man von Restaurierungen absieht).
Haus des Häuptlings |
Haus anderer Clan-Mitglieder |
Auf manchen Dächern sind Waffen (Schwert und Speer) montiert. Sie sollen die Einwohner vor bösen Geistern schützen.
Auf anderen Dächern trocknet einfach nur Mais auf dem Dach.
Möglicherweise eine Sonnenuhr...
Auch wenn heutzutage schon Motorsägen für den Hausbau verwendet werden, traditionelle Regeln werden immer noch eingehalten. So müssen zum Beispiel die Holzfasern der horizontalen Hausbalken so angelegt werden, dass sie im Uhrzeigersinn um das Haus zeigen.
Empfangsraum in einem Bena-Haus |
Türrahmen und Fassadebalken sind reichlich mit Schnitzereien verziert. Ein Schmetterling symbolisiert zum Beispiel etwas, das man schwer fangen kann.
Auch das Dorf Bena ist christianisiert worden. Sie glauben an Jesus Christus. Ihre traditionellen Naturreligionen spielen aber eine größere spirituelle Rolle.
Grab |
Frauen bei der Webarbeit. Mir fallen ihre roten Zähne und Lippen auf. Das kommt vom Betelnuss-Kauen. Genau genommen kauen sie eine Mischung aus Betelblatt, Arecanuss, Kalk und Kautabak. Das daraus resultierende Eugenol regt Speichelfluss und Verdauung an und erzeugt neben einem betäubenden Gefühl im Mund auch eine psychostimulierende Wirkung: Wohlbefinden, Leichtigkeit im Kopf, wohldosierte Euphorie und Gelassenheit. Langjähriges Kauen kann jedoch zu Sucht und Mundhöhlenkrebs führen.
Oma beim Kaffeemahlen...
Von diesem Marienschrein sieht man nicht nur den Vulkan Mt. Inerie, sondern bis hinunter zum Savu-Meer sowie andere Ngada-Dörfer.
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